Neue Richtlinie der EU: Gehaltstransparenz

Hätten Sie gedacht, dass 9 von 10 Talenten eher bereit wären, sich auf eine Stelle zu bewerben, wenn das Gehalt von Anfang an offengelegt wird? Studien belegen das. Zwar halten sich viele Unternehmen mit Gehaltsinformationen in Stellenanzeigen noch zurück, doch das dürfte bald vorbei sein. Eine EU-Verordnung schreibt mehr Gehaltstransparenz im Recruiting vor – am besten schon in der Stellenanzeige. In unserem Artikel erfahren Sie mehr.

Artikel vom 8. Juli 2024

None

Gehälter – das größte Geheimnis der Welt  

Bis heute sind Gehälter oft ein streng gehütetes Geheimnis. Innerhalb eines Unternehmens sowieso – doch selbst Ehepartner sprechen manchmal nicht mit ihrer besseren Hälfte über ihr Einkommen. Zu vertraulich! Warum eigentlich? Das fragen sich offensichtlich viele. Denn seit einiger Zeit entwickelt sich unter Arbeitnehmern eine Gegenbewegung - ein Bedürfnis nach mehr Gehaltstransparenz.  

Aus gutem Grund: Wenn Gehaltsdaten offengelegt werden, fallen diskriminierende Lohnunterschiede zwischen verschiedenen Geschlechtern oder ethnischen Gruppen eher auf. Und das schafft die Basis dafür, mit dem Arbeitgeber ins Gespräch zu kommen und bestehende Unterschiede zu verringern.  

Dass das leider auch im Jahr 2024 immer noch so ist, beweist der Gender Pay Gap – die Lohnlücke, die zwischen Frauen und Männern klafft und jährlich vom statistischen Bundesamt berechnet wird. Trotz gleicher Eignung verdienen Frauen auf der gleichen Position im Schnitt 6 Prozent weniger als Männer. Insofern ist Gehaltstransparenz ein wichtiger Hebel zu mehr Gerechtigkeit im Arbeitsleben.  

Talente haben keine Lust mehr auf Geheimniskrämerei 

Immer mehr Arbeitnehmer fordern deshalb schon im Bewerbungsprozess einen möglichst transparenten Umgang mit dem Thema Gehalt. Laut Studien haben 6 von 10 Menschen tatsächlich schon einmal davon abgesehen, sich auf eine Stelle zu bewerben, weil keine Gehaltsinformationen in der Stellenanzeige genannt wurden.  

Nun gibt es auch von gesetzlicher Seite Support. War es Arbeitgebern bislang selbst überlassen, wann sie im Bewerbungsprozess mit Talenten über Gehalt sprechen – irgendwann mussten sie es ja tun - , gibt eine neue EU-Verordnung zur Gehaltstransparenz eine klarere Richtung vor. 

Hier die einzelnen Punkte im Schnelldurchlauf:   

  • Arbeitgeber sollten am besten bereits in Stellenanzeigen Informationen über die anfängliche Gehaltsspanne einer ausgeschriebenen Position angeben - spätestens aber vor dem Vorstellungsgespräch. Dies soll sicherstellen, dass Bewerber bereits im Vorfeld eine klare Vorstellung von der Vergütung haben und sich nicht auf Positionen bewerben, deren Gehalt nicht ihren Erwartungen entspricht. Letztlich spart das beiden Seiten Mühe und Arbeit. 

  • Unternehmen dürfen Bewerber nicht nach ihrem aktuellen oder vorherigen Gehalt fragen. Diese Maßnahme soll verhindern, dass bestehende Gehaltsunterschiede bei neuen Einstellungen fortgeführt werden.  

  • Arbeitnehmer haben das Recht, Informationen über die durchschnittlichen Gehaltsniveaus ihrer Kollegen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, anzufordern. Diese Informationen müssen nach Geschlecht aufgeschlüsselt und innerhalb von zwei Monaten bereitgestellt werden.  

Es kommt aber noch „dicker“: 

  • Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern müssen regelmäßig öffentlich Berichte über ihre Geschlechterlohndifferenz vorlegen. Diese Berichte sollen detaillierte statistische Daten enthalten und aufzeigen, wie groß die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen im Unternehmen sind. 

  • Wenn ein Gehaltsunterschied von mindestens 5 Prozent zwischen Männern und Frauen besteht und dieser nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt werden kann, müssen Unternehmen eine gemeinsame Lohnbewertung (Equal Pay Audit) in Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretern durchführen. 

  • Klauseln in Arbeitsverträgen, die Arbeitnehmer daran hindern, ihre Gehälter offenzulegen oder Gehaltsinformationen von Kollegen zu erfragen, sind unzulässig. Dies soll eine offene Diskussion über Gehälter fördern und zur Aufdeckung und Beseitigung von Ungerechtigkeiten beitragen. 

Zeitrahmen und Umsetzung der EU-Verordnung sowie Ängste und Sorgen 

Es wird sich in den kommenden Jahren also einiges in Sachen Gehaltstransparenz tun! Die Richtlinie ist bereits am 7. Juni 2023 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten der EU haben aber noch bis zum 7. Juni 2026 Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Unternehmen sollten sich bereits jetzt darauf vorbereiten, die neuen Anforderungen zu erfüllen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. 

Allerdings ist nicht jeder Arbeitgeber angesichts der neuen Rahmenbedingungen in Jubelstimmung. Viele Unternehmen sind besorgt, dass die Offenlegung von Gehältern zu internen Unruhen führen könnte. Mitarbeiter könnten Gehaltsunterschiede als ungerecht empfinden - Unzufriedenheit könnte die Folge sein. Insbesondere in großen Unternehmen mit vielfältigen Gehaltsstrukturen stellt das ein erhebliches Problem dar. 

Eine weitere Sorge dreht sich um den möglichen Verlust von Wettbewerbsvorteilen. Unternehmen befürchten, dass durch die Offenlegung von Gehältern Konkurrenten einen Einblick in ihre Vergütungsstrategien erhalten und somit besser auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren können. Dies könnte insbesondere in Branchen mit hoher Fluktuation und starkem Wettbewerb um Fachkräfte problematisch sein. 

Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Richtlinie umfangreiche Ressourcen und Investitionen. Beanspruchen wird: Unternehmen müssen ihre Gehaltsstrukturen überprüfen und sicherstellen, dass sie fair und gerecht sind. Dies ist besonders in großen Unternehmen mit komplexen Gehaltsstrukturen zeitaufwändig und kostspielig. Darüber hinaus erfordert die regelmäßige Erstellung und Veröffentlichung von Berichten zur Geschlechterlohndifferenz zusätzliche administrative Arbeit. 

Gehaltstransparenz lohnt sich: Ein Blick in die Praxis 

Beispiele aus der Praxis zeigen aber, dass diese Sorgen aber weitgehend unbegründet sind und sich der Aufwand lohnt. Wir stellen Ihnen ein paar vor:  

Das Softwareunternehmen Buffer setzt zum Beispiel bereits seit 2013 auf Gehaltstransparenz und veröffentlicht alle Gehälter der Mitarbeiter auf seiner Website. Diese Maßnahme hat das Vertrauen innerhalb des Teams gestärkt und dazu beigetragen, dass die Gehaltsstrukturen als fair wahrgenommen werden. Laut Buffer hat sich das Ganze auch auf das Recruiting ausgewirkt, da Bewerber von Anfang an wissen, welche Gehaltsstruktur sie erwartet. 

Oder nehmen wir das Lebensmittelunternehmen Whole Foods. Die Gehälter aller Mitarbeiter sind für jeden im Unternehmen zugänglich. Diese Praxis hat dazu beigetragen, eine Kultur des Vertrauens und der Fairness zu schaffen. Laut John Mackey, dem CEO von Whole Foods, hat das die Mitarbeiterbindung gestärkt und die Fluktuation gesenkt.  

Auch Verblio, ein Content-Marketing-Unternehmen, hat mit dem Thema Gehaltstransparenz nur gute Erfahrungen gemacht. Seitdem das Unternehmen Gehaltsinformationen teilt, ist die Arbeitsatmosphäre offener und ehrlicher geworden. Mitarbeiter berichten von höherem Vertrauen in das Unternehmen und einem besseren Verständnis der Gehaltsstrukturen. 

Fazit 

Diese Beispiele zeigen, dass die Umsetzung von Gehaltstransparenz machbar ist und zahlreiche Vorteile wie gesteigertes Vertrauen und Zufriedenheit unter den Mitarbeitern, effizientere Rekrutierungsprozesse und eine stärkere Mitarbeiterbindung bietet. Tatsächlich geht die Einführung transparenter Gehaltsstrukturen erst einmal mit einem erhöhten administrativen Aufwand einher. Langfristig zahlt sich dieser dafür aber umso mehr aus.